Interview
10 Fragen an Wende Wilke
„Gut durchdachte Strategien sind die unverzichtbare Grundlage – wirklich zufrieden bin ich aber erst, wenn ich sehe, wie unsere Ideen in der Praxis wirken."
Wende Wilke - Geschäftsführerin der RELIVO GmbH
Liebe Frau Wilke, wie war das bei Ihnen – wollten Sie schon immer ein Unternehmen führen oder hat sich diese Entwicklung mit der Zeit ergeben?
Bevor ich die RELIVO im Jahr 2019 gegründet habe, war ich schon 15 Jahre als Beraterin tätig. Es hat mir immer Freude gemacht, Strategien zu erarbeiten. Irgendwann wollte ich aber auch ganz nah dran sein, wenn meine Theorien in die Praxis umgesetzt werden. Also gründete ich eine Firma, die ihren Schwerpunkt im operativen Bereich unserer Kunden hat. Außerdem habe ich nun ein Team: Dank der unterschiedlichen Talente meiner Mitarbeiter und damit gebündelter Expertise eröffnen sich nun noch weitreichendere Möglichkeiten, das Tagesgeschäft unserer Auftraggeber zu analysieren und zu optimieren. Aber CEO eines Unternehmens im Bereich Beratungs- und BPO-Dienstleistungen zu sein – das war tatsächlich zunächst nicht mein Ziel.
Und was war Ihr ursprünglicher Berufswunsch?
Juristin. Mir wurde allerdings klar, dass ich das Umfeld zu streitbar finde. Im Beruf des Anwalts etwa muss man hart Partei für seine Mandantschaft ergreifen und dies auch bis zum Ende durchkämpfen – selbst, wenn man vielleicht auch die Perspektive der Gegenseite gut verstehen kann. Mir hingegen liegt die vermittelnde Rolle mehr. Und genau die ist hier gefragt: Generell habe ich es als Geschäftsführerin mit vielen Menschen zu tun, deren Interessen miteinander in Einklang gebracht werden wollen. Und gerade im Gesundheitsbereich ist die Stakeholder- und Beziehungslandschaft sehr komplex, auch auf kommunikativer Ebene.
Das Thema Recht begleitet mich aber weiterhin. Unsere Kunden zählen zu den sonstigen Leistungserbringern – etwa Homecare-Unternehmen, Sanitätshäuser sowie Medizintechnikbetriebe, zunehmend auch Physiotherapiepraxen und Apotheken. Sie wiederum sind Behörden wie den Kranken- und Pflegekassen sowie der Gematik verpflichtet. Dabei stellen sich hohe Anforderungen an den rechtskonformen Umgang mit Patienten- und Abrechnungsdaten, der im Zuge der Digitalisierung nicht einfacher wird. Unter anderem unterstützen wir unsere Kunden auch dabei, sich nicht im Paragrafendschungel zu verlieren und keine Fehler im Umgang mit sensiblen Informationen zu machen.
Unternehmertum ist mit dem großen Einsatz persönlicher Ressourcen verbunden. Was gibt Ihnen die Kraft, dranzubleiben?
Einerseits empfinde ich es als sinnstiftend, in der Gesundheitsbranche zu arbeiten und dort einen Beitrag zum Patientenwohl zu leisten. Deswegen war ich auch schon lange vor Gründung der RELIVO in diesem Feld tätig.
Und was das Handwerkliche betrifft: Mich treibt die Herausforderung an, auch für äußerst komplizierte Sachverhalte Lösungen zu finden. Somit empfinde ich eine Branche, in der gerade auch angesichts der bereits erwähnten Digitalisierung Prozesse stets hinterfragt und neu gedacht werden müssen, als besonders spannendes Betätigungsfeld. Derzeit sind wir beispielsweise mit den Neuerungen durch das e-Rezept konfrontiert, eine historische Veränderung, die alle Bürger betreffen wird.
Inwiefern wirkt sich das Thema künstliche Intelligenz auf ihr Geschäftsfeld aus?
Unsere Branche ist einem eklatanten Fachkräftemangel sowie steigendem Kostendruck ausgesetzt. Die Lösung muss aber nicht immer externes Personal sein. Es wird sich mehr und mehr zeigen, welche Arbeit künftig effizienter durch Computer erledigt wird und wo der Einsatz menschlicher Arbeitskraft sinnvoller ist. Bereits jetzt unterstützen wir unsere Kunden auf Wunsch zum Thema Robotics und KI: Dabei identifizieren wir Vorgänge, die sich mit diesen Technologien automatisieren lassen und unterstützen bei Bedarf in der Umsetzung. Vorteilhaft ist in diesem Zusammenhang, dass auch unser Partner Trenkwalder in den Bereichen Retail und Automotiv bereits Erfahrungen gesammelt hat.
Was macht Ihr Unternehmen einzigartig?
Die eben schon angesprochene Partnerschaft mit der Firma Trenkwalder AG und die daraus entstehenden Synergieeffekte: Mit der RELIVO bringen wir ein profundes Wissen aus der Realität der sonstigen Leistungserbringer mit – und die Firma Trenkwalder ist ein schlagkräftiger Personaldienstleister im Bereich von Back-Office-Lösungen (BPO), die ebenfalls über langjährige Erfahrungen im Gesundheitswesen verfügt. Da Trenkwalder mit etwa 35.000 Mitarbeitern sehr groß ist, sind unsere Leistungen im hohen Maße skalierbar. Das macht uns flexibel, wir können kleine wie große Aufträge bearbeiten – aufgrund unserer Branchenkenntnisse mit äußerst geringer Vorlaufzeit. Die Partnerschaft ermöglicht uns also, auf Kundenanfragen sehr schnell mit geeignetem Personal zu reagieren.
Was sind Ihre langfristigen strategischen Ziele?
Ganz einfach: RELIVO soll erster Ansprechpartner für Unternehmen in der Branche sein, wenn diese über qualitativ hochwertiges Outsourcing nachdenken.
Und welche Werte definieren Ihrer Meinung nach gutes Outsourcing?
An den Bedürfnissen der Kunden orientierte Passgenauigkeit statt Standardlösungen. Außerdem ist die Begegnung auf Augenhöhe entscheidend für den Erfolg. Zwar gehen wir mit der RELIVO als Experten im Bereich Prozessoptimierung in die Zusammenarbeit, außerdem bringen wir den frischen Blick von außen mit. Das heißt aber nicht, dass wir versuchen vorzugeben, wie die Dinge zukünftig laufen sollen. Unsere Kunden sind in der Regel gestandene Unternehmer und selbst Profis in ihrem Fach. Dieses Bewusstsein darf man als Dienstleister nie aus den Augen verlieren.
Ein weiteres Kriterium ist das Augenmerk auf Transparenz. Mit mehreren Maßnahmen wie etwa regelmäßigen, kennzahlenbasierten Reportings stellen wir sicher, dass unsere Kunden stets die Kontrolle über die Vorgänge und Qualität unserer Arbeit im Blick behalten. Zudem ist die Architektur unserer Dienstleistungen so gestaltet, dass unsere Kunden mit den Erfahrungen aus dem gemeinsamen Wirken langfristig weiterarbeiten können – gegebenenfalls auch ohne uns. Outsourcing sollte keine Abhängigkeiten erzwingen.
In dem Zusammenhang: Begegnen Ihnen auch manchmal Vorbehalte zum Thema Outsourcing? Viele denken dabei an Arbeitsplatzverluste.
Natürlich kann ich nicht für alle Geschäftsfelder und Modelle sprechen. In unserer spezifischen Branche ist Outsourcing jedenfalls kein Job-Killer, ganz im Gegenteil: Der vielbeklagte Fachkräftemangel trifft auf ständig zunehmende Verwaltungsaufwände. Der Tag hat nur 24 Stunden und wer bei der großen Arbeitslast auf der Strecke zu bleiben droht, sind die Patienten. Aber letztere sind es ja, für die unsere Kunden vorrangig da sein möchten. Schließlich sind Patienten oft in einer Lage, in der sie ein hohes Maß an individueller Betreuung benötigen. Wir halten unseren Kunden den Rücken frei, indem wir ihnen die Verwaltungsarbeit und Aspekte der einfacheren Patientenkommunikation abnehmen. Oder ihnen Wege vorschlagen, wie sie sich Ressourcen für die persönlicheren Kontakte freischaufeln können.
Was mir anfangs häufig begegnet, ist die Angst vor Qualitäts- und Kontrollverlust. Ich freue mich immer sehr, wenn ich am Ende einer Zusammenarbeit das Feedback bekomme, dass sich diesbezügliche Sorgen nicht bewahrheitet haben, sondern die Zusammenarbeit sogar ein Gamechanger war.
Welche bemerkenswerten Erfolge haben Sie bisher mit der RELIVO erreicht?
Mich spornt jeder Auftrag, unabhängig von Dauer und Volumen, an, das Bestmögliche zu erreichen. Somit betrachte ich alle Projekte, mit denen meine Kunden zufrieden sind, als Erfolgserlebnisse. Ob diese bemerkenswert sind, überlasse ich der Beurteilung anderer.
Ein Meilenstein ist für mich die Realisierung eines Nearshoring-Projekts in Istanbul, wo die Firma Trenkwalder über einen großen Mitarbeiterpool verfügt. Die dortigen Kollegen beherrschen aufgrund der traditionsreichen Beziehungen zwischen Deutschland und Türkei die Sprache auf hohem Niveau und sind mit unserer Mentalität und ihren Besonderheiten vertraut. Das ist in der Telefonie sehr wichtig. Und ich freue mich darauf, Istanbul künftig auch aus beruflichen und nicht nur privaten Gründen zu besuchen. Ich schätze diese Metropole für so vieles, vor allem für die Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen.
Noch eine letzte Frage: Idole inspirieren erfolgreiche Biografien. Haben Sie ebenfalls eines? Vielleicht eine berühmte Unternehmerin oder ein berühmter Unternehmer?
Eine berühmte Persönlichkeit fällt mir spontan nicht ein. Aber ich habe tatsächlich ein unternehmerisches Vorbild im nächsten Umfeld: meine Großmutter! Im Jahr 1915 geboren lebte sie Emanzipation schon lange bevor dieser Begriff Karriere machte. Es gelang ihr, sich in den Sechzigern bis in die Position der Finanzverantwortlichen der Bayerischen Landesärztekammer hochzuarbeiten. Ihre Geschichte hat mich sehr ermutigt. Noch heute begleitet sie mich als inspirierende Kraft.
Liebe Frau Wilke, vielen Dank für die interessanten Einblicke in Ihre Sichtweisen und Ihr Business.
Ihnen ebenfalls herzlichen Dank!